"Wir haben unseren Umsatz in einem Jahr um mehr als 20 Prozent gesteigert"
Eine App erfinden und sie dann durch gute Pressearbeit richtig groß machen – davon träumen viele. Jenny Krutzinna weiß, wie es funktioniert. Im Interview verrät sie ihr Geheimnis – und warum sie mit ihrer Camping-App auch in einem Magazin für Katzenfreunde erschienen ist
Jenny, du und dein Partner Lukas, ihr betreibt mehrere Stellplatz-Apps für Camper. Da würde ich denken: Die müssen mit ihrer Story doch in allen Camping-Magazine erscheinen. Da seid ihr aber gar nicht drin. Warum?
Das ist ein bisschen tricky. Denn die Verlage, die Camping-Zeitschriften herausgeben, sind unsere Konkurrenten – weil sie eigene Stellplatz-Apps anbieten. Deren Apps funktionieren aber anders als unsere.
Ja? Wie denn?
Bei denen sind die Stellplatzanbieter auch potenzielle Anzeigenkunden und zahlen teilweise Gebühren, um in der App gelistet zu werden. Wir dagegen nehmen kein Geld dafür und sind somit unabhängig, dafür zahlen unsere User für die Nutzung der App. Aber dadurch haben die Campingmedien kein Interesse, in ihren Magazinen auf unser Angebot hinzuweisen, denn sie sehen uns als Konkurrenz.
"Nach der TV-Ausstrahlung ist unser Server zusammengebrochen, so groß war die Nachfrage. Das hat uns angespornt, die Pressearbeit strategischer anzugehen."
Jenny Krutzinna
Camping-App-Betreiberin
Also musstet ihr euch überlegen: Wie können wir unsere Zielgruppe sonst noch erreichen?
Genau. Eine großer Teil unserer Zielgruppe sind Menschen über 50. Die haben Zeit zu reisen, sind aber oft noch in den klassischen Medien unterwegs, nicht nur im Internet. Und wo informieren sie sich? In der Tageszeitung. Also haben wir uns bei der Pressearbeit auf überregionale Blätter wie die Süddeutsche Zeitung oder die Frankfurter Rundschau konzentriert. Und auf Zeitschriften, die in den Lesezirkel-Mappen in Wartezimmern ausliegen. Aber auch auf das klassische Fernsehen – ältere Menschen streamen ja weniger. Da haben wir beim Hessischen Rundfunk eine echte Punktlandung gemacht.
Cool, erzähl!
Wir waren in der reichweitenstarken Sendung “Der Camping-Check” von Friso Richter. Nach der Ausstrahlung ist unser Server zusammengebrochen, so groß war die Anfrage. Das hat uns angespornt, die Pressearbeit strategischer anzugehen.
Klingt nach einer tollen Startrampe. Und dann?
Ich habe früher mal im Marketing gearbeitet, und wenn mich eines genervt hat, dann waren es Pressemitteilungen. Meistens waren sie aufgebläht und inhaltsleer, frei nach dem Motto: Wenn ich den Journalisten eine Pressemitteilung mit 10.000 mögliche Anknüpfungspunkten schicke, werden sie sich schon die interessantesten drei rauspicken.
"Von 75 bis 80 Prozent aller Journalisten, die ich anschreibe, bekomme ich eine positive Antwort."
Jenny Krutzinna
Camping-App-Betreiberin
Und das hat nicht sooo viel gebracht?
Natürlich nicht. Euer Kurs hat mich in der Idee bestätigt, es andersrum zu machen: Journalisten individuell anschreiben, Themen enger zuschneiden. Und ich habe gelernt, durch die Brille der Journalisten zu sehen: Was macht ihnen ihre Arbeit leichter?
Und zwar?
Zum Beispiel, in dem man in Formaten denkt. Der Beginn unserer Pressekampagne fiel mit dem Beginn der Campingsaison zusammen. Deshalb haben wir unsere Mails gezielt so getextet, um auf den Produktseiten von Magazinen zu erscheinen. Also eine kurze, knappe Beschreibung unserer App, dazu Bildmaterial. Zu einem anderen Zeitpunkt haben wir dann das Thema “Do it yourself” angeboten – etwa “Fünf Dinge, die nicht jeder ausgebaute Van hat”. Einer Journalistin habe ich auch mal einen Link zu einer Podcastfolge mit uns geschickt: “ Hier können Sie schon mal reinhören, das beantwortet möglicherweise schon ein paar Fragen.”
Und das hat funktioniert?
Erstaunlich gut! Von 75 bis 80 Prozent aller Journalisten, die ich anschreibe, bekomme ich eine positive Antwort. Entweder gleich, oder wenn ich nachhake. Ich denke, das hat auch noch einen zweiten Grund: Unsere Apps sind keine anonymen Produkte aus irgendeiner Softwareschmiede. Die Apps, das sind wir, dafür stehen wir. Wir haben das als Paar gegründet und ich habe dafür sogar einen Job als Wissenschaftlerin gekündigt. Auch diesen persönlichen Background finden viele Medien spannend.
Echte Leidenschaft, oder?
Absolut! Wir leben das, was wir erzählen. Wir überprüfen jeden Stellplatz selbst, lassen auch kritische Kommentare auf unserer Seite stehen. Und Lukas als Programmierer weiß, wie man eine App aufbaut, damit nicht nur Digital Natives sie bedienen können. Dieser Background, persönlich wie als Experten, gibt uns hohe Glaubwürdigkeit. Bei Kunden und bei Journalisten.
"Wir haben unsere Umsätze innerhalb eines Jahres um etwa 20 bis 25 Prozent gesteigert. Daran hatte die Presse sicher einen Anteil."
Jenny Krutzinna
Camping-App-Betreiberin
Merkt ihr den Presse-Erfolg auch in harten Zahlen, bei Umsatz und Kunden?
Wenn unsere wichtigste App plötzlich 2500 Mal pro Tag downgeloaded wird statt nur 2000 Mal, können wir das oft nicht eins zu eins zuordnen: Lag das jetzt an einer Veröffentlichung, oder war nur irgendwo ein Feiertag? Aber was wir sagen können: Wir haben unsere Umsätze innerhalb eines Jahres um etwa 20 bis 25 Prozent gesteigert. Daran hatte die Presse sicher einen Anteil.
Gratuliere! Welche Veröffentlichungen waren denn besonders wichtig?
Das Feature in der Süddeutschen Zeitung war ein wichtiger Multiplikator – obwohl der Inhalt nur für Digitalabonnennten zu lesen war. Aber oft kommt das Interesse auch von ganz unerwarteter Seite. Es gab einen Artikel über uns in “Geliebte Katze”. Das Magazin ist ein Spinoff von “Ein Herz für Tiere” und wir haben dort über das Reisen mit Katzen im Van erzählt. Das hat ganz viel ausgelöst!
Lustig, Tiere als Türöffner?
Ja, denn das Magazin lesen zum Beispiel Rentner, die mit ihrem Wohnmobil in Spanien überwintern – denn sie sind halt oft auch Katzenbesitzer. Auch auf Messen wurden wir ganz oft auf diesen Artikel angesprochen. Sogar eine Journalistin der Frankfurter Rundschau hat uns danach für ein Interview angefragt – obwohl wir es bei ihr vorher schon mehrmals erfolglos versucht hatten. Manchmal braucht es eben mehrere “Touchpoints”, bis ein Journalist denkt: Von denen lese und höre ich immer wieder, die könnten interessant sein.
"Ich habe den Eindruck, Leute googeln uns einfach, wenn eine Veröffentlichung sie neugierig macht. Und dann landen sie ja automatisch auf der richtigen Seite."
Jenny Krutzinna
Camping-App-Betreiberin
Wie wichtig ist euch, dass in den Artikeln immer der Name der App genannt wird?
Das ist eher nice to have, nicht so zentral. Ich habe den Eindruck, Leute googeln uns einfach, wenn eine Veröffentlichung sie neugierig macht. Und dann landen sie ja automatisch auf der richtigen Seite.
Ihr habt viel erreicht – ist trotzdem noch Luft nach oben?
Immer. Der Auftritt in der Camping-Sendung vom HR war natürlich ein super Start. Aber ich hoffe, beim Fernsehen geht auch nochmal was. Ich könnte mir zum Beispiel vorstellen, in einer Talkshow zu den Themen “Nachhaltigkeit und Tourismus” zu sitzen. Wir haben eine Million Nutzer, ich könnte da sicher eine wichtige Perspektive einbringen! Aber auch zum Thema “Gründung” würde ich mich gern öffentlich äußern: Wie gelingt so ein Befreiungsschlag in wirtschaftlich unsicheren Zeiten, wenn jeder sich nach einem sicheren Job sehnt? Ich freue mich schon auf die Einladungen.
AUSSCHNITTE VON JENNYS VERÖFFENTLICHUNGEN
Jenny Krutzinna
Wenn das Camping-Couple Jenny und Lukas nicht reist, dann leben sie in Oslo. Ihre Stellplatzfinder-App www.camping-app.eu ist nach eigenen Angaben die zweit- bis drittgrößte dieser Art auf dem europäischen Markt. Dazu kommen noch weitere digitale Produkte speziell für Campen in Nordeuropa und für Camping-Wellnessurlaub in Deutschland.
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