"Journalisten suchen ständig Themen – sie sind sogar dankbar dafür!"
Als Konflikt-Coachin praktiziert Andrea von Sydow eine besondere Methode – doch die Presse interessierte das kein bisschen. Dann lernte sie, Journalisten mit Storytelling zu überzeugen. Und war auf einmal eine gefragte Gesprächspartnerin
Andrea, als du mit deiner Pressearbeit angefangen hast, hast du einen entscheidenden Denkfehler gemacht. Welchen?
Ich bin Coachin für Konfliktmanagement und arbeite mit einer Methode, die “Safe Conversations” heißt. Ich bin damit mehrsprachig unterwegs, in ausländischen Medien waren bereits Beiträge über mich erschienen. Aber ich wollte auch in Deutschland Aufmerksamkeit. Also bin ich auf Redaktionen zugegangen und dachte: Ich muss denen erstmal genau erklären, was das genau ist, welche Vorteile diese Methode hat und was sie meinen Kunden bringt.
Aber die Journalisten haben dir die kalte Schulter gezeigt?
Genau! Es hat absolut niemanden interessiert, was „Safe Conversations“ eigentlich ist. Ich war ziemlich frustriert. Aber dann hast du mir den entscheidenden Tipp gegeben.
Welchen?
Du hast gesagt: Ganz ehrlich, deine Methode ist auch mir völlig Latte. Ich möchte lieber ganz konkret wissen, mit welchen Problemen du so zu tun hast: Was machst du, wenn jemand bei dir auf dem Sofa sitzt und sich gerade mit seiner Freundin gestritten hat? Wie findest du heraus, was eine Person braucht, um ein klärendes Gespräch im Job zu führen?
Und das hat dich ins Grübeln gebracht ?
Ja, da ist es mir wie Schuppen von den Augen gefallen: Wenn du Journalisten für deine Arbeit interessieren willst, musst du den Scheinwerfer umdrehen: Weg von deiner Methode, hin zu konkreten, kleinteiligen Themen – und zum Nutzwert für die Leser. Das hat auch super geklappt.
"Am wichtigsten ist immer das Storytelling – also das Thema in eine Geschichte zu verpacken. Um das umzusetzen, hilft es mir sehr, wenn ich mir Situationen bildlich vorstelle, bevor ich ein Thema der Presse anbiete."
Andrea Sydow
Konflikt-Coach
Nachdem der Groschen gefallen war, wie hast du das umgesetzt?
Ich habe mir überlegt: In welchem Kontext gibt es denn Konflikte? Also zum Beispiel im Büro, in einer Beziehung, in Freundschaften, aber auch gesellschaftlich – und zu welchem Anlass interessiert sich die Presse dafür?
Was genau meinst du mit Anlässen?
Das kann ein bestimmter Zeitpunkt sein, etwa Zoff im Urlaub zur Feriensaison oder zu Weihnachten – ein Dauerbrenner, alle Jahre wieder. Auch der Jahreswechsel eignet sich, als Moment der Besinnung, des Neustarts. Zu Silvester habe ich zum Beispiel als Thema gepitcht: “So wird 2024 das Jahr des echten Zusammenhalts”. Manchmal gibt aber auch die Weltpolitik Anlässe vor. Wenn etwa Krieg ausbricht und die Kollegen bei der Arbeit dazu ganz unterschiedliche politische Haltungen haben. Auch das kann zu Konflikten führen.
Hast du deine Themen den verschiedenen Medien angepasst?
Ja – oft waren es nur kleine Stellschrauben und ich habe meine Themenvorschläge nur ein bisschen umgeschrieben. Ein Streit unter Freunden und ein Streit unter Kollegen ist ja im Kern eine ähnliche Situation.
Aber Frauenmagazine und Wirtschaftsmedien interessieren sich ja schon für ganz unterschiedliche Aspekte eines Themas.
Absolut. Wirtschaftsmedien etwa betrachten mein Thema gerne unter dem finanziellen Blickwinkel: Man weiß inzwischen, dass Unternehmen jährlich Milliarden-Beiträge entgehen, weil ungelöste Konflikte die Mitarbeiter in ihrer Leistungsfähigkeit beeinträchtigen. Aber egal ob Frauen- oder Wirtschaftsmagazin: Am wichtigsten ist immer das Storytelling – also das Thema in eine Geschichte zu verpacken. Um das umzusetzen, hilft es mir sehr, wenn ich mir Situationen bildlich vorstelle, bevor ich ein Thema der Presse anbiete.
"So lange ich kein eindeutiges „Nein“ höre, bleibe ich dran – auch das war ein Lerneffekt aus dem Programm Presse Rockstars: Man darf nachhaken."
Andrea Sydow
Konflikt-Coach
Interessant! Gibt es bestimmte Kreativitätstechniken, die du dazu nutzt?
Am liebsten arbeite ich mit einem Tool namens “Storyteller Tactics”. Das ist ein Kartendeck, mit dem man Situationen visualisieren kann. Mit der Karte „Movie Time“ ist mir zum Beispiel mal folgende Szene eingefallen: Eine Architekturstudentin kommt als Praktikantin in ein Büro, baut die besten Modelle – aber die Vorgesetzte nimmt das gar nicht wahr. In diesem Moment entscheidet sich: Verlässt sie frustriert das Unternehmen? Oder bleibt sie? Wie fühlt sich das an? Das sind gute Ausgangspunkte, um Themenangebote für die Presse zu schreiben.
Wo bist du denn schon überall mit deinem Thema erschienen?
Ich habe zum Beispiel für den österreichischen „Standard“ geschrieben und für das reichweitenstarke Blog „Stadt Land Mama.“ Andere Medien haben mich interviewt, zum Beispiel das Wirtschaftsmagazin „Impulse“ und die Frauenzeitschrift „Für Sie“.
Toll! Wie lange musstest du da baggern?
Ich musste viele E-Mails schreiben. Und vor allem musste ich Reminder versenden. Die meisten Zusagen kamen erst dadurch zustande.
Wie hast du diesen Reminder denn formuliert?
Ganz simpel: “Ich hatte Ihnen kürzlich ein Angebot geschickt, ist das Thema für Sie generell interessant?” So lange ich kein eindeutiges „Nein“ höre, bleibe ich dran – auch das war ein Lerneffekt aus dem Programm “Presse Rockstars”: Man darf nachhaken. Früher hatte ich ein ganz anderes Bild von Journalisten.
Warum das?
Ich habe mal den Chefredakteur einer Lokalzeitung gefragt: “Was kann ich tun, um Journalisten für Themen zu interessieren?” Seine Antwort war: „Gar nichts, lassen Sie Journalisten in Ruhe“. Diese ablehnende Haltung war bei mir hängengeblieben.
"Dranbleiben lohnt sich also, denn Medien sind ein Generator für Reichweite: Sie machen dich sichtbar. An der Statistik meiner Webseiten-Zugriffe sehe ich, dass ich immer dann mehr Besucher habe, wenn es gerade eine Veröffentlichung gab."
Andrea Sydow
Konflikt-Coach
Würdest du heute sagen: Das stimmt so nicht, jedenfalls nicht generell?
Heute weiß ich: Journalisten suchen Themen. Sie sind sogar auf Input angewiesen. Und sie sind dankbar, wenn man ihnen etwas anbieten kann, aus dem sie wirklich Mehrwert schaffen können für ihr Publikum. Dranbleiben lohnt sich also, denn Medien sind ein Generator für Reichweite: Sie machen dich sichtbar. An der Statistik meiner Webseiten-Zugriffe sehe ich, dass ich immer dann mehr Besucher habe, wenn es gerade eine Veröffentlichung gab. Ich bin auch noch lange nicht am Ende mit meinen Bemühungen. Ich habe noch einige Ziele.
Welche denn?
Eine eigene Kolumne in einer Tageszeitung wäre ein Träumchen. Und ein TV-Beitrag. Aber ein Zwischenziel habe ich schon erreicht: Ich habe jetzt endlich Logos deutscher Medien in dem “Bekannt aus”-Bereich auf meiner Webseite!
Andrea Sydow
Andrea von Sydow, 55, ist studierte Literaturwissenschaftlerin und zertifizierte Coachin. In mehreren Sprachen bietet sie Konfliktcoaching für Privatpersonen und für Unternehmen an, in Präsenz und online.
MIT EIGENEN THEMEN IN DER PRESSE PUNKTEN?
In meinem Gruppenprogramm „Presse Rockstars!“ zeige ich dir, wie’s geht.